Die Orgel

Orgelgeschichte

“IHR KLANG VERMAG DIE HERZEN ZUM HIMMEL EMPORZUHEBEN”

10 Jahre Jann-Orgel in St. Wolfgang – Ein Beitrag zur Orgelgeschichte der Pfarrei
von Mathias Baumgartner

Am letzten Oktobersonntag 2005 feierte die Jann-Orgel der Landshuter Stadtpfarrkirche St. Wolfgang ihr zehnjähriges Bestehen. Obwohl 10 Jahre für eine Orgel kein hohes Alter sind, regt diese Zahl doch zum Feiern an. Grund genug also, sich mit der Orgelgeschichte der Pfarrei auseinanderzusetzen.

Die Weise-Orgel

Die Planung

Am 03.11.1929 weihte der Regensburger Bischof Michael Buchberger in der im Entstehen befindlichen Siedlung nördlich des Bahnhofes eine Kirche dem Bistumspatron Wolfgang. Mit dem vom Pfarrer von St. Nikola, BGR Joseph Frischeisen, initiierten Neubau erhielt die Siedlung ihre erste geistige Mitte. Das Gebäude entstand aus ärmlichen Verhältnissen heraus und war dementsprechend sehr schlicht gehalten. Darum konnte auch der Innenraum nur einfach ausgestattet werden, für eine Orgel reichten die finanziellen Mittel nicht mehr aus. Erst später konnte an ein Instrument gedacht werden, als der damalige Expositus Max Bronold am 02.05.1934 von der Plattlinger Orgelbaufirma Michael Weise eine Kostenberechnung anfertigen ließ. Die Firma wurde 1899 von Ignaz Weise in Passau gegründet, schon bald zog sie nach Plattling und fertigt seitdem unter dem Namen “Michael Weise” Orgeln für viele Kirchen vor allem im niederbayerischen Raum.

Der Kauf

Das Angebot entsprach offenbar den Vorstellungen der Kirchenverwaltung, sodass am 14.05.1934 der Orgelbau-Vertrag ausgestellt werden konnte. Danach übernimmt die Firma Michael Weise in Plattling “die Lieferung und Aufstellung eines neuen Orgelwerkes nach eingereichter Disposition und Kostenberechnung (…) um den Gesamtpreis von Mk. 7750,–.” 3000 Mk. waren demnach an der Baustelle zu bezahlen, zu den restlichen 3500 Mk. fügte Bronold dem Vertrag handschriftlich hinzu: “nämlich: 1500 RM in bar; 2000 RM in 7% Pfandbriefen der Bay. Hypothek u. Wechselbank mit Zinsscheinen ab April 1934 unter Berechnung der Pfandbriefe zum vollen Nennwert.“

Von den Garantieverpflichtungen ausgeschlossen sind neben “Witterungseinflüsse(n), Feuchtigkeit des Raumes, mangelhafte(r) Lüftung, grosse(r) Trockenheit (und) Staub” kurioserweise auch “Mäuse und Insekten”. Weiterhin wurde die Kirchenverwaltung verpflichtet, “einen tauglichen Handlanger kostenlos zur Verfügung” zu stellen. Weise sichert die Fertigstellung bis Anfang Juli des Jahres zu. Desweiteren musste ein Orgelsachverständiger bestimmt werden. “Etwaige sich bei der Abnahmeprüfung ergebende Mängel sind, soweit der Herr Sachverständige als solche nachzuweisen vermag und dieselben nicht auf akustische Eigentümlichkeiten und dergleichen beruhen, vom Erbauer kostenlos zu beseitigen.“

Der Aufbau

Die Orgel besaß 12 Register und zwei Manuale sowie ein Pedal. Sie musste planmäßig fertiggestellt worden sein, denn schon bald prüfte der Regensburger Domkapellmeister Dr. Theobald Schrems die neue Orgel. Diese erhielt im Orgelgutachten, dass vom 01.08.1934 datiert, folgendes Fachurteil: Ihre Anlage “ist imponierend, der seitwärts befindliche Spieltisch gewährt breiten Raum für die Aufstellung des Chores. Die zugänglichen Holz= und Metallpfeifen sind aus vorschriftsmäßigem Material, vorhandene Äste sind ausgebohrt und geleimt, das Gebläse ist gut und funktioniert lautlos, die Windzufuhr ist auch bei vollem Werk und vollgriffigem Spiel durchaus genügend. (…) Die einzelnen Register ergeben zudem reiche und wirkungsvolle Kombinationen, das volle Werk ist für die sehr akustische Kirche gut ausreichend und von einer machtvollen Wirkung.” Der Sachverständige kritisiert aber auch: “… nur ist im zweiten Manual die Mixtur für den etwas dünn ausgefallenen Grundton ein wenig scharf intoniert. (…) Auch wäre bei einer zweimanualigen Orgel mit je 6 Registern eine freie Kombination sehr angebracht gewesen.”

Die Weihe

Am 26.08.1934 fand die Orgelweihe statt. Das Programm dazu sah folgendermaßen aus: “Vormittags ½ 10 Uhr: Feierliche Weihe mit Festgottesdienst“. Die Gottesdienstbesucher kamen hier gleich in den vollen Klanggenuss der neuen Orgel, es erklang die “Missa: “Salve Regina pacis“ für Soli, gem. Chor u. Orgel“ von Heinrich Huber sowie das Offertorium “In te speravi“ von C. A. Leitner. Den festlichen Tag beschlossen “Abends ½ 8 Uhr” eine “Kurze Segensandacht, hernach Orgelvorführung”, in der Werke u. a. von Johann Sebastian Bach und Felix Mendelsson-Bartholdy zum Besten gegeben wurden. Der Eintritt kostete 1 Mk., was folgender Text rechtfertigte: “Die neuaufstrebende Kuratie St. Wolfgang bittet um ein Scherflein für ihre ärmliche Kirche und rechnet es sich zur besonderen Ehre, auch Sie als Gönner und Wohltäter begrüßen zu dürfen.”

Die Orgel besaß einen Freipfeifenprospekt, das heißt, auf einen etwa halbhoch über die Emporenbrüstung ragenden Sockel waren 55 nebeneinanderstehende, in Ihrer Höhe einmal abgesetzte Pfeifen aufgesteckt.

Der Krieg

Expositus Martin Lehner wurde im Spätfrühling 1944 von der “Reichsstelle Eisen und Metalle” verpflichtet, einen “Meldebogen für Orgeln” auszufüllen, wonach sämtliche Zinnpfeifen zum Einschmelzen hätten gebracht werden sollen, doch konnte Domkapellmeister Dr. Schrems das Vorhaben stoppen: “Doch verdiene die vorbildliche Disposition als Ganzes erhalten zu bleiben.”

Ob das Instrument beim Luftangriff vom 19.03.1945 Schäden davon getragen hat, lässt sich archivalisch nicht belegen. Am Kirchenbau selbst gab es jedoch Schäden. Wohl durch Staub verschmutzt, musste die Orgel instandgesetzt werden, der Kostenvoranschlag hierzu (Fa. Zieske, Landshut, Orgelbauer Willi Striever) vom 13.08.1946 nennt Kosten in Höhe von 400,- RM und an durchzuführenden Arbeiten das Zerlegen und Reinigen der Orgel.

Umzug und Reparaturen

Nach dem Zweiten Weltkrieg begann die Wolfgangssiedlung enorm zu wachsen. Der ab 1948 in St. Wolfgang wirkende Stadtpfarrer Prälat Otto Schweiger fasste somit einen größeren Kirchenneubau ins Auge, der 1955/57 nach den Plänen des angesehenen Münchner Architekten Friedrich F. Haindl ausgeführt wurde. Die Orgel übernahm man von der alten, nun zum Pfarrsaal umgebauten Kirche. Sie erhielt aber eine neue Gestalt, indem sie zwar immer noch den Freipfeifenprospekt zeigte, die Pfeifen waren jedoch nicht mehr in der Höhe abgesetzt, sondern jetzt zur Mitte hin ansteigend. Überholt und repariert wurde die Orgel ebenfalls durch die Firma Weise 1969, 1978 und 1981. Nach 60 Jahren in ihrem Dienst waren die Blasebälge so durchlöchert, dass ein sorgsames Orgelspiel aufgrund von Pfiffen nicht mehr möglich war.

Das Ende

Schon unter Stadtpfarrer Jakob Brenner setzten Gespräche über eine neue Orgel ein, die von seinem Nachfolger Anton Högner zum Abschluss gebracht wurden. Im Sommer 1994 gab der Kirchenchor schließlich ein etwas anderes “Orgelkonzert”. Jeder Chorteilnehmer blies dabei in eine Pfeife, die zusammen ein Register ergaben. Am Kirchweihfest des selben Jahres war es dann soweit. Die Pfeifen wurden vom Kirchenchor versteigert, viele Pfeifen dürften sich in den Haushalten der Pfarrei erhalten haben. In Pfarreibesitz befinden sich heute lediglich noch eine große Pfeife im Pfarrheim sowie der Sitz des Organisten, der eine neue Verwendung im Kirchturm gefunden hat, wo er als Auflage für den Antrieb der Glockenanlage dient.

Die Jann-Orgel

Die Kirchenverwaltung und Stadtpfarrer Anton Högner entschlossen sich für die Orgelbaufirma Georg Jann, die seit 1975 in Allkofen bei Laberweinting ansässig ist. 262 Orgeln hat sie bisher gebaut, unter ihnen Großorgeln wie jene im Dom zu Porto (1985), in Yokohama (1989), im Münchner Dom (1994), in Altötting (2000) sowie in der Wallfahrtskirche Andechs (2005). Die Orgel in St. Wolfgang ist die letzte von Georg Jann gebaute Orgel, alle folgenden wurden von einem seiner Söhne, zugleich seinem Nachfolger Thomas Jann erstellt. Die Jann-Orgel umfasst ca. 1700 Pfeifen, 28 Register und zwei Manuale sowie ein Pedal. Sie ist eine Schleifladenorgel mit mechanischer Tontraktur und mechanischer Registertraktur sowie eingebautem Spieltisch. Der Prospekt besteht aus farbig gefasster Fichte und wurde von Hans-Jürgen Reuschel, einem damaligen Mitarbeiter der Firma Jann, entworfen. Die Farben stimmte ein Kirchenmaler auf die Umgebung ab, vor allem das Blau kehrt im gegenüberliegenden Bild der Altarwand, dem “Himmlischen Jerusalem” von Prof. Franz Nagel, wieder.

Kurzfassung eines Aufsatzes unter gleichem Titel, der im Pfarrbrief Nr. 26/2005 (23. bis 30.10.2005) auf S. 7-20 veröffentlicht wurde.